Aus „unternehmen!“ 5/2009: Gegen den Strom

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Studien belegen: Gerade in der Krise ist Marketing besonders effizient
(aus „unternehmen!“/Newsletter des Deutschen Gründerpreises, Ausgabe 5/2009)
Marketing- und Werbebudgets sind oft die ersten Posten, die Unternehmen in wirtschaftlich schlechten Zeiten einfrieren. Falsch, wie Studien belegen. Die Argumentation: In Krisenzeiten ist es einfacher, Marktanteile zu erobern, die Marktposition nachhaltig zu festigen und damit auch den Unternehmenswert zu steigern – für konsequente Marktführer genauso wie für mutige Underdogs. Wie Unternehmen ihr Werbebudget in Krisenzeiten am sinnvollsten nutzen können, zeigen wir in der aktuellen Ausgabe von „unternehmen!“.
Das Rezept hat einen Namen: Antizyklische Werbung. Das Konzept dahinter: Während die Konkurrenz aufgrund schlechter Konjunkturlage ihre Werbeetats kürzt und sich von der Schock-Starre des Markts anstecken lässt, besser gegen den Trend stemmen und in die eigene Marke offensiv investieren. Dass dies nicht nur eine wohlklingende Theorie aus dem BWL-Handbuch ist, hat eine im März dieses Jahres veröffentlichte, großangelegte Studie der GfK, Gesellschaft für Konsumforschung, im Auftrag von Serviceplan und Markenverband e.V. gezeigt. Mittels empirischer Panel-Daten von 20.000 Haushalten wurde das Verhalten von rund 700 Marken in der zurückliegenden Rezession (2001 bis 2003) analysiert. Das Ergebnis: Antizyklisches Werbeverhalten erzielt in der Tat Umsätze und sichert Marktanteile. „Die Auswertung der Panel-Daten hat vor allem eines deutlich gemacht“, so Wolfgang Twardawa, Division Manager Marketing GfK und Mitinitiator der Studie: „In Krisenzeiten bringen mehr Innovationen
und eine Erhöhung der Werbeausgaben signifikant höheres Wachstum als in normalen Zeiten. Es lohnt sich also, in Rezessionen zu investieren.“
In dasselbe Horn blies auch The Boston Consulting Group (BCG), die in Kooperation mit Gruner+Jahr und IP Deutschland, 2002 die Studie „Gegen den Strom – Wertsteigerung durch antizyklischen Markenaufbau“ herausbrachte. Die Analysen in elf Branchen seit 1991 ergaben das gleiche Bild: Unternehmen, die Werbung antizyklisch einsetzen und die einen im Vergleich zum Marktanteil hohen Anteil an den Werbeinvestitionen ihrer Branche haben, gehören zu den Gewinnern in wirtschaftlich schlechteren Zeiten. In der Konsequenz stärken Marktführer ihre Position und Angreifer können neues Branchenterrain erobern.
Wie aber erklärt sich dieser gewinnbringende Zusammenhang zwischen Werbung, Marktposition und Unternehmenswert? Dazu muss man einen Blick auf die gängige Praxis der Werbeetatverwaltung in der Krise werfen. Obwohl in den meisten Unternehmen die Markenpflege einen hohen Stellenwert hat, geraten in der Krise die Werbebudgets gewaltig unter Druck. Denn in Zeiten niedriger Erträge gehören Werbeinvestitionen zu den wenigen Posten, die ein Unternehmen kurzfristig zur Verbesserung der Kostensituation reduzieren kann. Restrukturierungen oder Stellenabbau werden meist erst mittelfristig
wirksam, während Streichungen im Kommunikationsbudget sich oft sofort bemerkbar machen, so die BCG-Studie. Die Folge: „Der Tritt auf die Werbebremse.“
Anteil am Werbekuchen erhöhen
Die daraus resultierende Passivität am Werbemarkt, können mutige Unternehmen für sich nutzen, indem sie ihre Aktivitäten gerade nicht zurückfahren. Der Vorteil liegt klar auf der Hand: Schon bei
gleichbleibendem Einsatz erhöhen diese Unternehmen ihren Anteil am Werbekuchen und damit auch die Wahrnehmung bei der Zielgruppe, die sie erreichen wollen. Bei antizyklischer Steigerung des Werbebudgets präsentieren sie sich am Markt sogar besonders prominent.
Vor allem die langfristige Wirkung auf die Kunden sollten Unternehmen nicht unterschätzen, meint Henrik Rehse, Geschäftsführer der Hamburger Agentur Jarmó Design & Markenführung. „Marken leben in den Köpfen der Konsumenten. Wenn man es schafft, sich dort in Krisenzeiten mit einem positiven, identitätsstiftenden Image einzunisten, kann man spätestens, wenn der Markt wieder anzieht, davon profitieren. Es geht darum, durch stärkere Präsenz die Wettbewerber im Kopf des Konsumenten zu verdrängen.“
Drastische Sparkurse schaden der Marke
Diesen Zusammenhang zwischen Markenpflege und Marktposition macht auch die BCG-Studie letztlich dafür verantwortlich, wer als Gewinner und wer als Verlierer aus einer Krise herauskommt. Durch argloses Cost Cutting läuft ein Unternehmen Gefahr, die Marke nachhaltig zu beschädigen und die Position am Markt zu schwächen. In der Folge brechen Umsatz und Ergebnis noch weiter ein – ein Teufelskreis. Und, weil es in Krisenzeiten nicht allen gleich schlecht geht, kann man schnell von Marktführern und vorausschauenden, antizyklisch denkenden Angreifern überholt werden. Ist die Krise ausgestanden, sind die Marktanteile meist verloren und müssen mit großem Kostenaufwand wieder zurückerobert werden. Im Umkehrschluss können Firmen, die trotz sinkender Umsätze auf eine offene Werbestrategie gesetzt haben, sich über gewonnene Marktanteile freuen.
In der Krise Größe zeigen
Dass dieser Mechanismus funktionieren kann, zeigt das Beispiel der norddeutschen Kabs PolsterWelt GmbH. Marketingleiter Mirko Sackmann: „In der letzten Rezession haben wir uns zusammengesetzt und
beschlossen, trotz schlechter Konjunkturlage unsere Werbeaktivitäten weiterzufahren. Wir wollten Größe zeigen“. Sackmann sieht einen Zusammenhang zu der damaligen Entscheidung und dem kontinuierlichen Wachstumskurs des Hamburger Polsterspezialisten in den letzten Jahren. „2008/2009 war der beste Start in ein Geschäftsjahr seit Bestehen des Unternehmens – trotz aktueller wirtschaftlicher Lage. Das führen wir auch darauf zurück, dass wir in den zurückliegenden Krisen wenig zögerlich gehandelt haben.“ Die gesammelten Erfahrungen helfen auch in der jetzigen Situation. „Krisenzeiten sind Zeiten, in denen man ausprobieren kann. Schließlich sind Medien und Kreativagenturen davon auch betroffen, da bekommt man gute Angebote.“ Dass man zu solch einer betriebswirtschaftlichen Entscheidung Mut braucht, streitet er nicht ab. Aber: „Der Vorteil in einem mittelständischen Unternehmen ist, dass man relativ schnell gegensteuern kann, wenn man merkt, ein Konzept greift nicht«, so Sackmann weiter.
Welche Maßnahmen können Unternehmen aber nun darüberhinaus konkret ergreifen, um erfolgreiches Rezessionsmarketing zu betreiben? Nach einem Vergleich zwischen Krisengewinnern und Krisenverlierern kommt die GfK-Studie zu dem Ergebnis, dass neben antizyklisch erhöhten Werbeausgaben und mit diesen eng verknüpft, drei weitere Punkte den Erfolg in der Krise bestimmen:
– Innovationen vorziehen: Gewinner warten nicht mit der Einführung innovativer Produkte auf bessere Zeiten mit höherer Konsumbereitschaft. Sie setzen auf Differenzierung durch Innovation und ziehen
Produktneueinführungen vor, während der Wettbewerb abwartet. Innovationen bringen daher in der Krise messbar mehr Wachstum als in normalen Zeiten.
– Kundenbindung periodisieren: In rezessiven Phasen schneiden Marken mit höherem Stammkundenanteil besser ab. Gewinner steigern daher ihren Marktanteil in der Krise durch Kundenbindungsmarketing.
– bestehende Kommunikationskonzepte überdenken: Gewinner setzen bei ihren Kommunikationskonzepten stärker auf Media-Mix-Kampagnen, werben also parallel in verschiedenen Medien wie Fernsehen, Radio und Internet. Abhängig von der Produktart variiert auch die Tonalität der Kampagnen. Bei Produkten des täglichen Bedarfs wird der Kunde verstärkt rational angesprochen, bei Luxus- oder Prestigeprodukten wird eine eher emotionale Ansprache gewählt.
Antizyklische Werbung ist kein Allheilmittel
Aber Achtung, antizyklische Marketingstrategien sind kein Allheilmittel. So warnt auch Agentur-Geschäftsführer Rehse vor zu großen Erwartungen an den schnellen Erfolg. „Mehr Werbebeachtung im leiseren Markt bedeutet noch lange nicht, dass sich auch das Produkt sofort besser verkauft. Denn wenn der Konsument kein Geld hat, wird er es auch nicht ausgeben. Absatzorientiert denkende Unternehmen – und dazu gehört der gesamte Einzelhandel – werden Werbegelder sofort einsparen, wenn sie merken, dass nichts dabei herauskommt.“ Dass nicht alle Branchen gleichermaßen von einer antizyklischen Strategie profitieren können, weiß auch Mirko Sackmann. „In der Möbelbranche haben wir sicher eine besondere Situation. In Krisenzeiten neigen die Leute dazu, es sich zu Hause schön
zu machen und geben, wie in unserem Fall, für Sofas mehr Geld aus. Dieser Umstand trägt auch dazu bei, dass wir besser abschneiden als andere Branchen.“
Auch die Initiatoren der GfK-Studie attestieren, dass eine große Zahl von Unternehmen schlicht gezwungen ist, ihre Werbebudgets zu streichen. Für diese Firmen sieht die Studie alternativ die Möglichkeit, brachliegende Effizienzpotentiale aufzuspüren und auszuschöpfen, um trotz Kürzungen die Kommunikation nach Außen aufrechtzuerhalten. Als Ansätze für mehr Effizienz werden unter anderem Fokussierungen auf Käufergruppen, Kundenbindung und Ausschöpfung regionaler Potentiale genannt. Wem also der Handlungsspielraum oder schlicht der Mut fehlt, das Rad in großem Stile in die andere Richtung zu drehen, für den hat Henrik Rehse noch einen kleinen Tipp: „Im Business-to-Business-Bereich wird man kurz vor Weihnachten mit Wunschkarten und Geschenken überhäuft. Jeder, der dabei mitmacht, handelt zyklisch. In dieser ‚Werbeschlacht‘ fällt man meist nur noch durch besonders teure Geschenke auf – oder geht in der Masse unter. Was spricht dagegen, Kundenpflege auch mal im Hochsommer zu betreiben? Damit ist man garantiert der einzige, wird dementsprechend beachtet und bleibt positiv in Erinnerung.“
Fasst man die Ergebnisse der Studien und des Praxis-Beispiels zusammen, müsste die Antwort auf die Frage „Werben trotz Wirtschaftskrise?“ lauten: „Werben wegen der Wirtschaftskrise!“.
Denn solange sich die Mitbewerber abwartend zeigen, ist die Hebelwirkung von Rezessionsmarketing enorm. In Krisenzeiten gibt es zwar werbetechnisch keinen Königsweg, aber es gibt vielversprechende Erfolgsstrategien – einen innovativen Kreativansatz, ein nachhaltiges Markenkonzept und ein entsprechendes Budget vorausgesetzt. Wer dies beherzigt, wird die Konjunkturflaute nicht einfach nur aussitzen, sondern kann als Gewinner aus der Krise hervorgehen.


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