Aus „für HAMBURG“ 1/2009: Corporate Identity in Krisenzeiten

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Corporate Identity in Krisenzeiten
(aus „fürHAMBURG“ – ASU/BJU-Magazin von Unternehmern für Unternehmer, Ausgabe 1/2009, Autor: Henrik Rehse)
Wettbewerbsvorteile und Wertsteigerung durch strategisch richtiges Design und antizyklischen Markenaufbau.

Hamburg, Anfang Februar 2009. Die Geburtstagsparty eines gemeinsamen Freundes. Szenige Location, gute Stimmung, leckeres Essen und – irgendwie schön – neutrale Weinflaschen ohne Etiketten. Ohne jetzt darauf eingehen zu wollen, wie Wein aus neutralen Flaschen schmeckt (oder wie er dort überhaupt rein gekommen sein mag), kamen wir an jenem Abend über diese fehlenden Etiketten auf die Fragestellung zu sprechen, warum es in Deutschland immer noch so viel schlechtes Logo-Design geben würde. Dabei war es keineswegs ein Designer, der dieses Thema aufbrachte und vertiefte. Warum sehen viele Firmenlogos oder auch ganze Markenauftritte lieblos, austauschbar und nichtssagend aus? Und was macht es so schwierig, solche Unternehmen von der potenziellen Kraft eines neuen bzw. revitalisierten Logos zu überzeugen?
Wir sinnierten und diskutierten darüber, dass es wahrscheinlich deutlich einfacher ist, einem Kunden eine bessere Versicherung zu verkaufen als ein neues Logo. Weil der Kunde den Erfolg – das finanzielle Einsparpotenzial oder bessere Leistungen der Versicherung – bereits auf dem Papier sehen kann, bevor er den Vertrag unterzeichnet. Beim Logo sollte der Kunde von dem Potenzial, das von einem neuen oder modernisierten Logo ausgehen kann, überzeugt sein, bevor er den Auftrag an die Designagentur erteilt. Also auch bevor er das Ergebnis auf dem Papier sieht. Weil es viel strategische und kreative Arbeit bedeutet, bis es soweit ist. Weil es mit einem einfachen Schriftzug eben meist nicht getan ist. Und weil das Ziel nicht einfach ein schönes Logo sein sollte, sondern die Entwicklung einer unverwechselbaren, visuellen Unternehmensidentität oder Markenpersönlichkeit.
Vielleicht war auch der Gedanke nicht verkehrt, analog zur Wirtschaftsprüfung eine Art Designprüfung durch unabhängige Fachleute als Managementinstrument einzuführen. Denn Fakt ist, dass Design – Logo- und Marken-Design genauso wie Packaging- und Produkt Design – meist immer noch als Kostenfaktor wahrgenommen wird. Und nicht als Wert schaffender Faktor.
Der erste Eindruck entscheidet.
Man kann nicht „nicht kommunizieren”. Jedes noch so kleine und vordergründig unbedeutende Lebenszeichen eines Unternehmens oder eines Produkts zahlt in dessen Image ein. Das Logo wird dabei bereits beim ersten Kontakt wahrgenommen – und immer wieder. Es ist das Element mit den häufigsten Kontakten innerhalb des gesamten Kommunikations-Mix. Weil es immer dabei ist, egal welche Botschaft auf welchem Wege transportiert wird. Durch die ständige Wiederholung prägt sich das Logo jedem unvergesslich ein. Je eigenständiger es ist, desto besser eignet es sich für eine schnelle Kommunikation mit den Zielgruppen. Diese Kraft gilt es strategisch zu nutzen.
Schön allein genügt nicht.
Ein gutes Logo kann und sollte eine Botschaft transportieren. Klarer wird das, wenn man statt des Wortes „Logo” den Ausdruck „Corporate Identity” verwendet, von der das Logo bzw. das Corporate Design ein fester Bestandteil ist. Die Aufgabe des Corporate Designs ist die optische, ästhetische und symbolische Darstellung der Unternehmensidentität, einer unverwechselbaren Persönlichkeit mit bestimmten Werten. Leere Werbesprüche will heutzutage niemand mehr hören. Authentische Inhalte und Geschichte sind gefragt. Am Anfang steht deshalb meist nicht die Designarbeit, sondern gründliche Analysen des Unternehmens und seiner Historie, der Markt- und Wettbewerbssituation, aktueller gesellschaftlicher Trends sowie der Wünsche und Bedürfnisse der Zielgruppen. Darauf basiert die Entwicklung oder Optimierung einer einprägsamen Unternehmens- bzw. Markenidentität und deren Positionierung. Aufgabe des Designs ist es, diese zum Ausdruck zu bringen. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Klingt leicht. Und sieht manchmal auch leicht aus, wenn es fertig ist. Ist es aber meist nicht.
Design wird für längere Zyklen entwickelt als z.B. eine Anzeige. Dennoch sollte es sich ständig am Puls der Zeit bewegen. Die Kunst guten Designs wie auch erfolgreicher Markenführung überhaupt besteht in der Beherrschung des schmalen Grats zwischen Kontinuität und Revitalisierung.
Design bringt die Seele zum Ausdruck.
Die wichtigsten Ziele bei der Designentwicklung sind, neben dem visuellen Ausdruck der Identität, eine deutliche Differenzierung zum Wettbewerb und die Identifikation der Zielgruppe mit dem Produkt, der Marke oder dem Unternehmen. Es gilt, das Gesicht in der Menge zu entwickeln, das alle begeistert. Denn nur so lassen sich emotionale Beziehungen mit dem Ergebnis langfristiger Markenbindung schaffen. Und nur so bekommt Design die Macht zu verkaufen! Die zur Verfügung stehenden Elemente dafür sind Schriften, Zeichen und Farben. Materialien, Druck- und Veredelungstechniken. Animationen und Sound. Und Millionen von Möglichkeiten, diese auf einzigartige Weise miteinander zu kombinieren.
Überlegen Sie mal: Welche Unternehmen und Marken begeistern Sie? Und warum? Was zeichnet deren Design, Kommunikation oder Marketing aus? Achten Sie um sich herum auf Beispiele seelenvoller Führung und Verführung – und unseliger Irreführung.
Jede Krise hat ihre Gewinner.
Es spricht übrigens einiges dafür, (Re-)Positionierungen, Marken- und Bekanntheitsaufbau gerade jetzt voranzutreiben. – Warum? – In Krisenzeiten wird oft zuallererst das Marketingbudget gekürzt – Aktionismus zugunsten kurzfristiger Renditeoptimierung! … Wie schön, denn so stechen die wenigen Mutigen hervor, die gerade jetzt in eine glänzende Zukunft investieren. Die auffallen wollen. Die positiv denken. Die Visionen haben. Und die den Mut haben, diese auch umzusetzen. Jetzt. Denn im leiseren Markt bekommt jede Stimme mehr Gewicht!
Den Erfolg antizyklischer Verhaltensweisen belegen zwei voneinander unabhängig durchgeführte Studien der GfK (gerade frisch veröffentlicht) und der Boston Consulting Group (von 2002: „Gegen den Strom: Wertsteigerung durch antizyklischen Markenaufbau“). Mit dem in aller Kürze auf den Punkt gebrachtem Ergebnis: In Krisenzeiten ist es einfacher, Marktanteile zu erobern, die Marktposition nachhaltig zu verbessern und damit auch den Unternehmenswert zu steigern – für konsequente Marktführer genauso wie für mutige Underdogs. Sie nutzen die Passivität ihrer Wettbewerber und das werbliche Schweigen in den Medien, um sich selbst mehr Gehör zu verschaffen! Die Karten werden neu gemischt. Und nach der Krise ist nichts mehr wie es war.
„Die alten Weisen nannten denjenigen einen klugen Kämpfer, der nicht nur siegt, sondern sich dadurch auszeichnet, dass er mit Leichtigkeit siegt.“ (Sun-Tsu).


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